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Von Abwechslung und Grenzerfahrungen 30.03.2012

Am 6.03. war es endlich so weit. Eine Woche verspätet, dank travel visa 24, von denen hier noch mal ausdrücklich jedem abgeraten wird ging es doppelt motiviert an einen ganz anderen Fleck der Erde – nämlich Marokko. So schlimm war es dann doch nicht, den -25°C-Schlafsack gegen die Badehosen auszutauschen.

In Agadir, dem Las Vegas aller Muslime angekommen, hatten wir dann auch schon das Hässlichste, was Marokko zu bieten hat gesehen und es ging steil bergauf, doch zuerst noch Richtung Süden, denn eigentlich war zu allererst eine 3-tägige Küstenwanderung geplant. Doch wie uns schon einer der Passagiere im Flugzeug aufklärte, ersetzt Planung bloß Zufall durch Irrtum. Der 1a Sandstrand, wie im Reiseführer angepriesen, war leider zu gut zwischen etlichen Kilometern Steilküste und Hafenbaustellen versteckt. Deswegen beschlossen wir nach zwei Tagen, in denen wir bis ins schöne Fischerstädtchen Sifi Ifni trampten sofort nach Marrakesch zu fahren und von da aus zum Djabal Toubkal, den mit 4164 Metern höchsten Berg Nordafrikas, aufzubrechen.

Gesagt – Getan !! In Marrakesch angekommen und die sonst so freundlichen und ehrlichen Marrokaner gewöhnt, lies ich mich von einem der tausend Taxifahrer verarschen und schon saßen wir für viel zu viel Geld mit 4 weiteren Fahrgästen und dem Fahrer im, nicht allzu geräumigen, Taxi nach Imlil. Am nächsten Tag starteten wir unseren Aufstieg, der uns über knapp 2000 Höhenmeter bis ins Basislager des Toubkal führen sollte. Anfangs noch topfit und supermotiviert passierten wir die erste Hälfte der Strecke, die uns bis an ein heiliges Dörfchen führte, dessen Hauptattraktion ein riesiger weiß bemalter Stein ist, unter dem wohl mal ein Heiliger verschüttet wurde. Wesentlich spannender waren allerdings die Bewohner der wenigen Häuser, die wir bei einem Tee auf dem Rückweg etwas besser kennen lernen durften. Von da an wurde der Weg allerdings „etwas“ steiler und da alle Touristen, die wir trafen, ihr Gepäck nicht selber trugen, sondern etliche Guids und Mullis (Maultiere) gemietet hatten, konnte uns auch niemand sagen, wie lang wir noch brauchen würden. Na ca. 8 h erreichten wir unser Ziel, doch dafür war‘s plötzlich saukalt. Bei ca. - 5°C waren wir die einzigen Idioten, die für umgerechnet 10€ nicht in der Hütte übernachteten.

Etwas verwundert über die Eile der Anderen, die schon den halben Berg erklommen hatten, als wir das erste Auge öffneten bereiteten wir uns auf den Aufstieg vor. Schmelzkäse (lachende Kuh), altes Brot, bitterer Tee und billige Kippen – alles was das Herz begehrt. Zum Trotze aller Ratschläge, aber eigentlich nur aus Geldmangel stiegen wir nun ohne Äxte und Steigeisen auf – alles andere kann ja jeder. Nach mühsamen vier Stunden erreichten wir den Gipfel. Dank unseres verspäteten Aufstiegs waren wir oben völlig allein, hatten Sonnenschein, Windstille und konnten den mittleren Atlas und bis zur Wüste gucken – ein atemberaubender Eindruck. Doch die Atemnot lag mit Sicherheit auch an der Höhe und den Billigkippen. Auch der Aufstieg war durch den angetauten Schnee viel einfacher und wir konnten Teile des Berges auch runter rutschen.

Am nächsten Tag wanderten wir zurück nach Imlil, aßen mehr oder weniger erfolgreich (auf den Tellern sind „Überraschungspeperonis“, die manchmal sauscharf und manchmal mild sind...) unsere erste Tagine, ein traditionell über dem Holzkohlefeuer und in einer Art Tonglocke zubereiteten Mix aus einheimischem Gemüse und manchmal Fleisch – sehr bekömmlich und eine gelungene Abwechslung zu lachender Kuh. Weiter ging‘s über zwei Tage durch‘s Gebirge, vorbei an Ziegenhirten, den typischen terrassenartigen Plantagen mit ihren traditionellen Bewässerungssystemen und ursprünglichen Lehmdörfern (Kasbah‘s oder Kasbahviertel), in die sich allem Anschein nach nur wenige Touristen verirren. Nach über 30 km schlugen wir am ersten Tag unser Nachtlager auf. Die vielen beeindruckenden Momente dieser Wanderung, wie die Rufe der vielen Muezine der unzähligen Moscheen, die am Abend an den Berghängen widerhallten, kann man leider nur selber sammeln und waren mit der Kamera natürlich nicht festzuhalten.

Nach der Ruhe in den Bergen verschlug es uns ins Herz Marokko‘s – Marrakesch. Ich persönlich habe nirgends auf der Welt ein verworreneres Netz kleiner Straßen und Souks gesehen, wie man die, nach Warenangebot sortierten Märkte in den schmalen Gassen der Altstädte nennt. Ich glaube, dass es nicht eine exakte Karte dieser Stadt gibt. Am Abend beobachteten wir die Stadt von der Dachterrasse unseres Riads aus, wie man die Häuser nennt, in denen in der Mitte ein großes Loch ist und das typisch für die Medina (Altstadt) marokkanischer Städte ist. Danach stürzten wir uns mitten ins Getümmel, auf den Djama el Fna, den größten und belebtesten Platz ganz Marokko‘s (laut Reiseführer ;0) ). Auf diesem wirklich großen Platz kann man vor allem in den Abendstunden ein Marokko beobachten, wie es vielleicht schon vor vielen vielen Jahren mal gewesen sein muss. Auf dem Boden sitzen uralte Märchenerzähler mit weisen Bärten und Turban, die (leider nur auf Arabisch) Geschichten erzählen, es gibt jede Menge Gaukler, Musikanten, Schlangenbeschwörer (allerdings Scharlatane) und jede Menge gutes Essen. Wenn man etwas vorsichtig ist, sich nicht beklauen oder von irgendjemandem irgendein Geschäft aufschwatzen lässt, ist es sehr beeindruckend und spannend. Das Beste sind die vielen Einheimischen, die weit stärker vertreten sind als die Touristen und den Anschein einer riesigen Inszenierung für die Touristen gar nicht erst aufkommen lassen. Das Flair dieser Stadt ist kaum zu vergleichen und lässt direktes Orientfeeling aufkommen.

Nach zwei Tagen war es aber genug mit dem ganzen Trubel und wirnahmen den Bus nach M´hamid, dem letzten Ort vor der Sahara. Schon auf dem Weg wurde die Landschaft immer wüstenhafter und es tauchten nur noch vereinzelte Oasenstädte am Ufer des einzigen Flusses auf. Angekommen in dem Dorf, was sich eigentlich schon mitten in der Wüste befindet wurde uns nochmal deutlich, dass der Tourismus, aufgrund der Wirtschaftskrise und dem Al Qaida – Anschlag im April 2011 in Marrakesch enorm abgenommen hat. Es war den ganzen Tag über nur wenige Menschen auf der Straße zu sehen und Touristen durchquerten den Ort eigentlich nur in klimatisierten Jeeps. Bei einer gepflegten Verhandlungsrunde nach marokkansicher Manier mit Mubarak ;0) unserem Zeltplatzbesitzer wurden wir uns einig und starteten am Tag darauf unsere Wanderung nach Erg Chigaga, der zweithöchsten Sanddüne Marokko‘s im Nordwesten der Sahara. Unsere Kamele Long John und Desert Donky sprachen am Anfang genauso wenig wie unser Guide, was wahrscheinlich daran lag, das sie genauso gut englisch sprechen wie er. Aber nachdem wir das erste Mal die Kamele eingefangen hatten, denn wir mussten mitarbeiten, weil wir nur so wenig Geld hatten, brach das Eis und wir konnten uns dann doch ganz gut verständigen. Da es in den Tagen vor unserer Wanderung einen Sandsturm gegeben hatte sah die Wüste wohl ganz anders aus als sonst und wir verliefen uns zwischen den Dünen. Trotzdem zeigte uns Mohammed wie man Brot im Sand bäckt und klärte uns genauesten über die Verhältnisse seiner 100-köpfigen Familie auf. Danach schliefen wir auf einem großen Teppich unter freiem Himmel, was nur jedem zu empfehlen ist, da man nirgends einen schöneren Sternenhimmel als in der Wüste hat, außer vielleicht in den Bergen...

Natürlich hatten wir auch die Ehre auf den Kamelen reiten zu dürfen, doch nach 1-2 Stunden auf dem Kamel, zieht man schmerzende Füße als Fortbewegungsmittel vor. Die Sanddünen von Er Chigaga boten eine Aussicht auf die krassen Gegensätze der Wüste. Auf der einen Seite lagen einem Millionen von Sanddünen zu Füßen und auf der anderen Seite erstreckten sich unterschiedliche Steinwüsten ein paar wenige Bäume und Nomadensiedlungen. Besonders bei Sonnenauf- und -untergang boten sich seltsame Bilder aus Formen und Licht. In einer der Hütten am Fuße der Sanddünen trafen wir ein paar aufgeschlossene Saharawis, die uns mit guten Englischkenntnissen über die Konflike der Westsahara und die Not der Saharastämme wie Tuaregs, Saharawis auklärten. Aufgrund eines Kalkulationsfehlers Mubaraks hatten wir blöder Weise auf dem Rückweg, auf dem wir auf uns alleine gestellt waren nicht genug Wasser. Nachdem uns Mohammed sporadisch den Weg erklärt (immer geradeaus und rechts) und im Wüstenstaub verschwunden war, gingen wir also nun allein und voll bepackt irgendwohin. Das brachte uns auf jeden Fall schon mal ordentlich Respekt von den Einheimischen ein, die 60km ohne Karte, Kompass und GPS beschreiten zu wollen. Als nicht sonderlich angenehm könnte man die letzten drei – vier Stunden ohne Wasser, dafür aber im heißen Wüstensand beschreiben. Nach diesen paar Stunden hatten wir sozusagen die letzte große Hürde überwunden, verbrachten noch einen Tag in Marrakesch auf Souvenierjagd und eine in Essouare am Atlantik und kamen am 27.3. wieder in Berlin an.

Alles in Allem war dieser Urlaub gezeichnet von Grenzerfahrungen und Abwechslung. Gerade dadurch kamen wir aber auch mit der einheimischen Bevölkerung in Kontakt und konnten uns ein grobes Bild über die Menschen und die Politik in Marokko machen. Bloß sonderlich erholsam ist es nicht gewesen ;0) !!

Felix